Mo 20. Oktober 2014 (Bildungs- und Gästehaus)

Mit Hand und Herz, mit Kopf und Stimme stellten sich die Teilnehmenden dieses mehrdimensionalen Projektes den drängenden Problemen unserer Erde: Artensterben, Klimawandel, Rohstoffausbeutung bringen unseren Planeten an seine ökologischen Grenzen. Was können wir, was kann der einzelne tun, um sich der fortschreitenden Zerstörung unserer Lebensgrundlagen entgegen zu stellen?

Um sich einer Antwort zu nähern, boten die Projektpartner Haus Wasserburg, Germanwatch e.V. und die Amsterdamer Stiftung De Nieuwe Liefde zwei Projektzugänge an:

Die musikalische Auseinandersetzung mit dem Lehrgedicht “Das Lied von der Erde” von Huub Oosterhuis unter Leitung des Komponisten Tom Löwenthal.
Aber auch die vertiefte thematische Auseinandersetzung unter der Federführung von Stefan Rostock, Germanwatch e.V.: Angesichts der unaufhaltbar scheinenden Zerstörung und der gravierenden sozialen Folgen gerade für die Ärmsten der Armen braucht es vor allem Mut, sich den übermächtig scheinenden Konsum- und Wirtschaftsmuster unserer Gesellschaft politisch und persönlich entgegen zu setzen, ein Mut, der nur gemeinsam aufzubringen ist und der erwachsen kann aus der Sehnsucht nach Veränderung und der Lust auf Erkenntnis und Einsicht in die Strukturen.

Gerade diesem Anliegen diente ein von Dr. Jürgen Kroth moderiertes Gespräch zwischen unterschiedlichen Wissenschaften: So lieferte die Soziologie mit Prof. Dr. Karl-Werner Brand wichtige Einblicke in die Veränderungsfreudigkeit oder aber auch des Beharrens in alten Strukturen. Es braucht aber ein Wissen um soziale Bedingungen von Veränderungsprozessen, um sie mit steuern zu können. Dabei liefert auch die Kooperationsforscherin Dr. Silke Weinlich auf der Basis internationaler Beziehungen wie auch persönlicher Verhältnisse wichtige Erkenntnisse. Nicht Konkurrenz, sondern Kooperation ist der entscheidende Vorteil des Menschen in der Evolution. Wie können wir daran wieder anknüpfen, so ließe sich dieser Beitrag zusammen fassen.

Dass dies möglich ist, zeigten konkrete Einblicke in die aktuelle Klimapolitik durch den politischen Geschäftsführers von Germanwatch, Christoph Bals. Er zeigte ermutigende und politisch wirkmächtige Beispiele, die der Sehnsucht nach Wendung des Chaos eine reale Basis lieferte. Mit dem Theologen Dr. Kuno Füssel wurde, ganz in der Linie des Papstes Franziskus, die Frage nach dem wirtschaftlichen System gestellt. Zwar sei es richtig, dass es viele hoffnungsvolle Bewegungen gebe, aber nötig sei immer auch, die auf Profit basierende kapitalistische Wirtschaft zu überwinden.

Insgesamt wurde in diesem Teil deutlich, dass es viele Möglichkeiten, Ansätze und Überlegungen gibt, das Chaos zu wenden. „Die Ideen zur Überwindung der Krisen werden immer besser.“ so Stefan Rostock, „Jetzt gilt es, sich für eben diese einzusetzen, sie zu leben und zu kommunizieren, damit langfristig die politischen Weichen gestellt werden und das eigene Handeln zum Erlebnisraum für nachhaltige Lebensstile wird.“ Wie dies konkret aussehen kann, wurde in den anschließenden praxisorientierten Workshops und einem Worldcafé zu möglichen Lösungsansätzen erörtert.

Nicht Resignation ist das Gebot der Stunde, sondern Sehnsucht, das Chaos möge gewendet werden. Diese Sehnsucht zu wecken half die Kraft der Musik Tom Löwenthals und die Poesie und Theologie von Huub Oosterhuis, als am Sonntag als abschließendem Höhepunkt die Projektteilnehmenden das biblische Lehrgedicht „Lied von der Erde“ über Erde und Menschheit, Freiheit und Allmacht, Gut und Böse, Gott und Tod zur Aufführung brachten.

Durch die mehrperspektivische Einführung der Projektleitenden, als auch die Ergebnisse der begleitenden Jugendworkshops, vom Jahrmarkttheater vor der Tür, über die gestaltete Eingangshalle bis zur thematischen Film- und Satellitenbildpräsentation, wurde es den rund 300 Zuschauenden erleichtert, den Gesamtzusammenhang wahrzunehmen und die Aktualität des Lehrgedichts zu erkennen.

Ebenso soll der begonnene Dialog zwischen Musik, Theologie und Politik, der mit dem Lehrhaus des Bibelwissenschaftlers Alex van Heusdens, den beiden Projektteilen, dem Gottesdienst und einer Lesung von Oosterhuis-Texten angestoßen wurde, weitergeführt werden; die Ergebnisse des Projektes sollen in einer Publikation zusammengefasst werden.

„Der gängige methodische Dreischritt „Sehen – Urteilen – Handeln“ muss unseres Erachtens um einen Zwischenschritt ergänzt werden: das ‘Wollen’. Im Wollen liegt der Motor für das Handeln.“, fasst Melanie Gehenzig, Projektkoordinatorin von Haus Wasserburg, die Idee des Projektes zusammen. Und viel gutes Wollen war zu spüren in der intensiven, trotz der Schwere auch lustvollen Zeit der Auseinandersetzung mit einem herausfordernden Thema, viele hoffnungsvolle Zeichen gegen die Mutlosigkeit konnten gesetzt werden, damit die im Lehrgedicht zum Ausdruck gebrachte Vision von den Menschen Gottes Wirklichkeit werden kann, „ dass sie zur Freiheit wachsen, dass sie einander befreien und beleben.“ (sc,jk,geh)