Di 12. November 2024 (Geistliches Zentrum)

Hauptrollen Spiel:
Jesus
Der Opferkasten
Das Nötigste
Die Witwe

„Heute“, so hatte sie es sich fest vorgenommen, „heute werde ich mir Zeit nehmen und mit ihm reden“.
Sie lächelte leise in sich hinein. „Ein bisschen verrückt bist du schon“, sagte sie sich. „Mit ihm reden, als wäre er eine „Persönlichkeit“.
Doch ihr Entschluss stand fest. Sie machte sich auf den Weg. Nur das Nötigste nahm sie mit, als stillen Begleiter.
Der Weg zum Tempel war ihr geläufig. Sie würde ihn blind finden, so oft war sie ihn gegangen. In Jugendzeiten beschwingt, im reifen Alter schleppte sie bereits ihre Sorgen mit, aber immer trug sie auch die Gewissheit: „Mit meinem Gott überspringe ich Mauern“.
Seit dem Tod ihres Mannes hatte sich aber eine Schwere in ihr Leben geschlichen, die sie nur schwer ertragen hatte. Mittellos war sie geworden und die ihr nahestanden, waren selber mittellos. Ihre Lebenslast, die ihr von der Einsamkeit aufgebürdet worden war, war eine dunkle Partnerschaft mit einer unerklärlichen Leere eingegangen, die sie innerlich – sie wusste nicht, wie sie es ausdrücken sollte – hohl und unausgefüllt gemacht hatte.
„Er fehlt mir immer noch“, murmelte sie vor sich hin. „Ich kann es nicht verleugnen.“

Ihr einziger Trost wurde ihr in all den Jahren der tägliche Gang zum Tempel. Und dort hatte sie ihren Freund gefunden. Wieder musste sie lachen. Lauter diesmal. „Bist ein verrücktes Weib geworden“. – Indem sie es sagte, wurde ihr ein wenig warm ums Herz.
Sie kannte ihn gut inzwischen. Sie wusste, niemand hatte eine so „persönliche“ Beziehung zu ihm aufgebaut, wie sie es in all den Jahren getan hatte. Vielleicht weil sie viel Herzblut hineingesteckt hatte, Ehrlichkeit. Ihre Lebensgeschichte hatte sie investiert. Dem Herrn sei Dank.

Dabei war sie eine, so ihre Vermutung, die ihm, wenn sie es von seiner Seite aus betrachtete, wahrlich nicht viel zu bieten hatte. Da gab es andere. Bei denen ertönte gleich die Posaune, wenn sie zu ihm kamen und alle wandten sich ihm zu. Aha, da war wieder jemand, der was zu bieten hatte, da war wieder jemand, der es sich was kosten ließ. – Gesegnet sei er.

Nein, nein, die Beziehung zu ihm war eine andere.
Inzwischen hatte sie sich mit dem Nötigsten, was sie hatte, einen Platz in seiner Nähe gesucht; unauffällig, aber nah genug, um mit ihm reden zu können. Mit Blick Richtung Ölberg, als würde sie von dort das Heil erwarten.

„Du, ich muss mit dir reden“, murmelte sie etwas verlegen mehr zu sich, als zu ihm.
„Bist mein richtiger Kummerkasten geworden. So viele Jahre komme ich zu dir und habe dir meine Sorgen und meinen Kummer anvertraut. In all den Jahren habe ich bei dir mein Gottvertrauen wiedergefunden, wenn es mir aus dem Herz geglitten ist. Du kennst den Tempel und die Menschen besser als die Priester und Verwalter dieses Tempels. Bei dir fließen die bitteren Tränen des Lebens und nicht das Blut der Tiere, wie bei den Opferaltären dort drüben. Du kennst die Sorgen der Bittenden genauso, wie die der Schuldigen, du kennst die Demütigen und die Stolzen und nie hast du auch nur ein Wort darüber verloren.
Du bist anders als ich. Du steckst oft voll mit Geld und sicher auch voll mit allzu menschlichen Geschichten.
Ich dagegen stecke voll mit Kummer und fühle mich dennoch so hohl, so unausgefüllt. Und nur hier bei dir, wenn ich dir mein Letztes anvertraut habe, wird mir leichter ums Herz. Ich weiß noch nicht einmal warum“.

„Vielleicht“, so war ihr, schien der Opferkasten zu sagen, „vielleicht liegt darin das Geheimnis. Auch meine Leichtigkeit erlebe ich immer dann am stärksten, wenn ich ausgeleert bin. Glaub nur nicht, dass das ein gutes Gefühl ist, im wahrsten Sinne des Wortes bis zum Hals voll Geld zu stecken.
Nein, wenn ich leer bin, komme ich mir selbst auf den Grund. Und: Wenn ich ganz leer bin, fühle ich mich so sehr verwandt mit dem leeren dunklen Raum hier im Tempel, dem Allerheiligsten. Die Augenblicke meines Leerseins bringen mich Gott dem Allheiligen am nächsten.
Das Vollgestopft sein mit Geld dagegen, ist die schwerste Zeit meines Hiersein, gefüllt mit der Sorge, ich könnte mich selbst darin verlieren.

„Die Witwe schaute ihn mit großen Augen an.
„Jetzt hast du die Stimme meiner Sehnsucht geweckt. Ja, dieses „Hohl sein“ ist unerträglich. Die Leere, von der du sprichst macht fei. Ich möchte frei sein, offen. Das ist mein Wunsch, dem ich auf der Spur war, frei zu sein, gereinigt, damit Gott den Raum in mir füllen kann.
Fast zärtlich sah sie den Opferkasten an.

„Hätten doch alle hier deine Weisheit; die Priester und Verwalter des Tempels. Würden sie doch mehr für die befreiende Leere des Herzens sorgen, statt sich um die Fülle der Opferkästen zu kümmern.
Was ist der Tempel denn wert, wenn er den Zugang zum Allerheiligsten verschließt?
Und mit Blick auf den Ölberg fügte sie hinzu. Ich warte auf den, der sich so leer und offen machen kann, dass nur Gott Raum hat in ihm. Dann brauchen wir keinen Tempel mehr und all die zustopfende Geschäftigkeit.

Leichter als sonst gab sie ihre bescheidenen Münzen, wohl wissend, dass es etwas Grundlegenderes war, was sie in den Kasten steckte. Herzblut, das neu und beschwingt in ihren Adern rollte.
„Die paar Münzen sind für den Tempel, obwohl der doch keinen Pfennig mehr wert ist“, flüsterte sie ihm ketzerisch zu.

Beim Hinausgehen hörte sie, wie ein Rabbi zu seinen Schülern von einer Frau erzählte, die aus der Erfahrung ihres Mangels eine neue Offenheit für Gott bekommen hätte.
„Danke Herr für die neue Weite meines Herzens. Dank dir Herr, dass du Wohnung bei mir genommen hast“ betete sie.

(Arthur Pfeifer 10. 11. 2024)


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