Mi 30. November 2016 (Bildungs- und Gästehaus)

Eine Justizvollzugsanstalt und dazu noch ein Hochsicherheitsgefängnis wie im nordrhein-westfälischen Werl ist keine Welt, die Menschsein befördert. Im Gegenteil, sie schränkt die urmenschlichen Bedürfnisse nach Freiheit, Intimität und Respekt massiv ein. Das führte Autor Joe Bausch mit seinen Einblicken aus seinem Alltag als Arzt in der JVA am Samstag, den 26. November dem gebannten Publikum in der gut gefüllten Pallottikirche/Haus Wasserburg in Vallendar mit großer Erzählfreude anschaulich vor Augen.

Über 800 Schließvorgänge in der Schicht eines Vollzugsbeamten, die veränderte Wahrnehmung von Zeiträumen, die Ausgesetztheit in einer Gemeinschaftszelle, die Grundatmosphäre des Misstrauens setzen zu und machen den Schritt in die anschließend von der Gesellschaft doch bezweckte Resozialisierung noch schwerer als ohnehin. Gewalttätige, so berichtet der Mediziner, seien durchaus häufig selbst als Opfer von Gewalt (gewesen). Das entschuldige niemanden, zeige aber die Notwendigkeit, präventiv, aber auch vor Ort Gewaltspiralen zu durchbrechen. Die wichtigste Grundlage sei der Aufbau von Vertrauen, wobei dem Anstaltsarzt als gut zugänglichem Ansprechpartner eine wichtige Rolle zukomme.

Plastisch und drastisch weiß der Autor die ganz besondere Welt und Denkweise Schwerstkrimineller, die nicht selten unter Drogenabhängigkeit und psychischen Störungen leiden, wie auch ihre kreativen Fluchtversuche zu schildern. Ironische Überzeichnung ist dann wohl auch ein Selbstschutz, um den jahrzehntelangen Umgang mit Menschen, die Empathiefähigkeit nie oder verlernt haben, die bei anderen Ängste schüren, um sich ihren eigenen nicht auszuliefern, die allen Respekt vor anderen und auch sich selbst verloren haben, auszuhalten, ohne ein verbitterter Zyniker zu werden. Schmunzeln gegen die Tristesse.

So bleibt auch bei allem Sarkasmus, der manchmal in Bauschs Erzählungen aufscheint, der Menschenfreund sichtbar, der in seiner Jugend von einer Karriere bei den flying doctors geträumt hatte und dafür eintritt, dass auch Gewaltverbrecher nach Abbüßung ihrer Strafe eine Chance verdient haben. So plädiert der Mediziner mit Unterstützung seines Anstaltsleiters für öffentliche Einblicke in diesen tabuisierten Ort. Unter Wahrung der Würde und der Persönlichkeitsrechte der Insassen könne dies mit dazu beitragen, sachlich, nüchtern und fern aller Sozialromantik Wege für eine Wiedereingliederung von Straftätern zu eröffnen. Vehement wehrt sich allerdings der Schauspieler, der gerne Gelegenheiten wahrnimmt, in Talkshows zum Thema Gewalt Stellung zu beziehen, gegen die von den Medien stark beförderte «Betretenheitskultur», die sich im Baden von Betroffenheitsgefühlen erschöpft und jedes Hinsehen vermeidet, wo Einmischung gefragt wäre, um frühzeitig Gewaltbereitschaft zu entdecken und ihr mit Wort und Tat zu begegnen.

Neben seiner alltäglichen Arbeit setzt sich der Schauspieler mit seinen Kollegen aus dem Kölner «Tatort» daher auch mit dem Tatort-Verein weltweit dafür ein, Kinderrechte zu fördern, Armut zu bekämpfen und nachhaltige Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. Diesem Projekt ist auch der Erlös des Abends zugedacht, der von Alexander Diensberg SAC mit nicht ganz neuen, aber erschreckend aktuell gebliebenen zeitkritischen Lieder auch aus eigener Feder musikalisch ergänzt wurde.

So machte die so informative wie kurzweilige WortWeise spezial neugierig auf ein Weiterlesen des im Anschluss zahlreich gekauften und signierten Buchs, das aufzeigt: Der Knasts nimmt zwar die Aufgabe wahr, Menschen im Interesse der Gesellschaft, die keine Verwendung mehr für sie hat, zu verwahren. Die Perspektive aus dem Knast aber muss sein, den Einsitzenden ein Stück Normalität zurückgeben und eine Chance, die Zeit in der Anstalt zu nutzen, um irgendwann in die Normalität der Gesellschaft zurückfinden zu können. Und unsere Normalität in der Gesellschaft sollte ein aktives Einmischen und Eintreten gegen Gewalt sein. Das eine aus und das andere für den Respekt vor der Würde eines jeden Menschen.