Mo 20. März 2017 (Bildungs- und Gästehaus)

«Wiederhole deine Wahrheit gebetsmühlenartig, dann wird sie wahr werden»… In atemberaubendem Wechsel von Teambesprechungen, Verhandlungen, Diskussionen, Telefonaten werden in der Lobbyagentur Utterly & Quiet Rüstungsexporte durchgesetzt und nebenbei noch die Macht der Agrarindustrie gestärkt, da bleibt schon schnell mal die Wahrheit auf der Strecke, denn gibt es nicht immer ein Pro und ein Contra?

Ob Waffengeschäfte mit Indien und Pakistan, Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien, Massentierhaltung, Dumping-Preisen, Billigexporte und exportiertes Gen-Saatgut, die Profis der alternativen Fakten beliefern die Herrschenden nicht nur mit militärischem Kriegsgerät, sondern mit allem, was es braucht, den Widerstand des Volkes und seiner demokratischen Vertreter zu unterwandern. Ins Absurde zugespitzt bleibt das Lachen über die Pointen dieser ganz auf die Macht und Verführung des Worts setzende Komödie oft im Hals stecken. Einberufung von Expertenkommissionen, damit brisante Themen kaltgestellt werden, die Installation eines akademischen Fachidioten als Lobbyismus-Praktikanten im Außendienst, Schlussfolgerungen, die zu Hypothesen umgedeutet werden, um reale Gefahren zu verschleiern… zu nah liegen ironische Überspitzung im Stück und real erlebte Satire beieinander. «Stille ist effektiver als Lärm!» lautet eine der persiflierten Leitlinien des Lobbyismus. Und diese Stille, die die Wahrheit nach außen zu verschleiern sucht, zerrt das Berliner Ensemble, das am 12. März nun schon zum zehnten Mal zu Gast bei einem zahlreichen und sehr engagierten Publikum in der Pallottikirche an Haus Wasserburg in Vallendar war, ins grelle Licht der Scheinwerfer und dreht die Lautstärkeregler hoch, damit die perfiden Strategien der Wirtschaftsmächtigen entlarvend und in all ihrer Hässlichkeit und Menschenverachtung gezeigt werden. Ob in einer Talkshow-Simulation, bei der ein Zuviel an Empathie mit indischen Kleinbauern die Lobbyistin schon mal vorübergehend an den knallharten Unternehmenszielen zweifeln lässt, bevor sie mit Karrieregründen wieder auf Linie gebracht wird, oder beim Streuen von falschen Informationen und der Erstellung angeblicher Gutachten die Opposition aus lokalen Initiativen und NGO diskreditiert und gespalten wird, der Compagnie gelingt es, ohne übertriebene visuelle Effekte, sondern mit temporeichen Dialogen und musikalischen «Schmachtfetzen und Evergreens» pointiert und kurzweilig zu erklären, wie erfolgreiche Lobbyarbeit funktioniert. Manipulation wird auf den Punkt gebracht: «ins Herz schließen, um es dann in die Pfanne zu hauen».

Dennoch entlässt das Theater die Zuschauer nicht entmutigt oder gar mit gebrochenem Herzen. Begleitend zur Aufführung gibt es eine Reihe an Informationsmaterial, das auffordert und dazu ermutigt zu handeln «für eine transparente und lebendige Demokratie», die der stillen Macht nicht das Feld überlässt, sondern Wege der Solidarisierung und des Widerstandes aufzeigt. Die Ausbreitung und Verfestigung jeder stillen Macht gilt es zu stoppen, die Berliner Compagnie soll und darf gerne weitermachen.